Help the poor and the needy e.V. 

Ein sehr emotionaler Tag

Salam alaikum und Hallo

Ich schreibe diesen Text am Montagnachmittag, den 29.1.24. Gestern am Sonntag, kurz vor dem Nachmittagsgebet klingelt das Telefon. Es war der Sohn einer von mir sehr geschätzten Nichte meines Mannes. Eine Woche vorher saßen wir noch gemeinsam in unserer Veranda und plauderten über das Leben. Dann der Anruf, sie ist gerade verstorben, mit 56 Jahren. 

Vor etwa zwei Jahren ist ihr Mann verstorben, so waren ihre vier Kinder ausschließlich auf die Mutter fixiert. Die Kinder sind alle in den 20ern. Besonders hat es die jüngste Tochter getroffen. Sie ist 24 und hat nun keine Eltern mehr. Sie weint und weint und wird jetzt eine harte Zeit vor sich haben. 

Wir eilten zum Krankenhaus, wo schon viele Angehörige auf das Auto warteten, dass den Körper zu Leichenhalle bringen sollte. Die Familie ging dann zum Haus der Verstorbenen und die Männer berieten, wenn die Beerdigung sein sollte. Im Islam ist es verpflichtend, dass die Verstorbenen so schnell wie möglich beerdigt werden. Das verhindert die Ausbreitung von Krankheiten, besonders in heißen Ländern, durch das Leichengift. 

In Gambia ist es in etwa so geregelt: Stirbt jemand gegen 17 Uhr, wird die Person am nächsten Morgen um 10 Uhr beerdigt, stirbt sie morgens, beerdigen sie um 14 Uhr, stirbt sie mittags, erfolgt dann um 17 Uhr die Beerdigung. 

So trafen wir uns dann heute wieder um 10 Uhr. Einige Frauen gingen zur Totenwäsche, und als sie fertig waren wurde sie zur Moschee gebracht, die Grabrede begeisterte viele, er erwähnte ihre zuvorkommende Art, sie war zu jedem freundlich und versuchte stets die Menschen zu vereinen. Die Männer begleiteten den Sarg dann zum Friedhof, sprachen dort noch ein Gebet und kamen wieder zurück. 

Ich blieb bei den Frauen, tauchte tief ein in eine unbeschreibliche Stimmung. Aber dennoch versuche ich euch diese Situation zu schildern, weil es so faszinierend war. Die jüngste Tochter wurde nach wie vor von einem Weinkrampf nach dem anderen durchgerüttelt. 

Die älteste Tochter, die beiden Söhne, die Schwestern und Brüder der Verstorbenen und deren Kinder liefen wie die Ameisen hin und her, um den Gästen Wasser, Kekse, Kolanüsse und Munko zu servieren. Munko ist ein Reispulver, das mit Wasser und Zucker zu einem Teig geknetet wird, ähnlich wie ein Kuchen und jeder sich dann ein Stück abbrechen kann. Sehr interessante Tradition. Ich habe es probiert, der Geschmack war gut, aber es war dann doch etwas trocken.

Viele der Familienangehörigen hatten vom Weinen rote Augen und ein geschwollenes Gesicht. Ich denke, es tat ihnen gut, beschäftigt zu sein. Es kamen sehr viele Frauen. Die Räume im Haus waren voll. Sie saßen überall auf dem Boden, es war kein Zentimeter mehr frei. Immer wieder wurden Einzelne von der Trauer übermannt und schluchzten so laut, dass die Babys auf den Rücken der Mütter anfingen zu weinen. Zwei Frauen fielen zwischendurch in Ohnmacht. 

Eine ältere Schwester wollte unbedingt, dass ich im engsten Familienkreis sitze und besorgte mir einen Stuhl und bestand darauf, dass ich bei den Tanten der Verstorbenen saß. Da mein Mann der Onkel ist, passte es ja. Vor den Ältesten ein großer Teller und jede Frau, die kam, warf einen Geldschein hinein. Ihr müsst wissen, dass in Gambia Münzen kaum noch in Gebrauch sind, da der kleinste Schein (5 Dalasi) 7 ct entspricht und der größte (200D) nur 3 €. Der Teller füllte sich rasch mit den kleineren Scheinen. Alle paar Minuten schütteten sie die Scheine in eine Plastiktüte, um den Teller wieder freizumachen. Das Geld ist für die Kinder gedacht, doch in vielen Fällen wird es, aufgrund der hohen Lebensmittelkosten, bereits für die Beköstigung der Trauergäste verwendet. Auch hier wurden in einem anderen Grundstück große Töpfe mit Benachin, eine Art Risotto, gekocht. 

Bis auf ein Salam alaikum der Hereinkommenden und das obligatorische Alaikum Salam der dort Sitzenden, sprach kaum jemand ein Wort. Alle schwiegen und erinnerten sich an die Verstorbene. Es fühlte sich an, wie eine tiefe Meditation. Die Verbundenheit in diesem Moment war atemberaubend. Mit mir saßen auf der Terrasse etwa 20–25 Frauen. Immer wenn ich meinen Blick schweifen ließ, schaute ich in Gesichter mit weit aufgerissenen Augen und einem leeren Blick. Ich sah ihnen an, dass sie mit ihren Gedanken bei der Verstorbenen waren, so wie ich. Wenn eine der Damen gesprochen hat, dann über schöne Erlebnisse, die sie gemeinsam mit ihr hatten. 

Später kamen die Männer von der Beerdigung zurück und drehten auch noch eine Runde an dem Geldteller vorbei. Jetzt kamen die größeren Scheine zum Vorschein. 

Ich saß zwei Stunden beinahe regungslos auf meinen Stuhl, gedachte der Toten und beobachtete das Treiben. Es war nicht das erste Mal, dass ich an einer Beerdigung teilnahm. Ich weiß auch nicht, ob es in anderen Familien auch solch einen Menschenauflauf gibt, aber hier, wie auch schon bei ihrer Mutter, und ihrer Tante kamen Hunderte. Masha Allah. Sie hatten ein solch freundliches Wesen, jeder mochte sie. 

Später am Abend hatte ich noch ein intensives Gespräch mit einer Freundin, die als Totenwäscherin arbeitet. Für sie hatten wir schon einmal eine Sammelaktion gemacht. Sie sagte, dass alle Materialen aufgebraucht seien, und sie dringen wieder neues benötigen. Sie erklärte mir, dass das staatliche Krankenhaus, in dem sie in der Regel die Totenwäsche macht, nur den Raum, Wasser und Strom zur Verfügung stellt. Keine Seife, Handtücher, Desinfektionsmittel etc. Alle Totenwäscher arbeiten ehrenamtlich. 

Für mich sehr unverständlich, denn das Sterben gehört leider auch zu einem Krankenhausbetrieb dazu. Warum also nicht so konsequent sein und dafür auch aufkommen. Die Angehörigen müssen es selbst zahlen. Wenn doch nun aber ihr Ernährer verstorben ist? Die Totenwäscher sind auf Spenden angewiesen. Auch erzählte sie, dass es aus Gründen der Hygiene besser ist, die verwendeten Tücher etc. mit der Waschmaschine zu waschen, denn das Leichengift kann Krankheiten verursachen. Es hat lange gedauert, bis sie eine Maschine bekommen haben. Ich habe noch eine ausgediente Waschmaschine, in shaa Allah kann ich sie reparieren lassen und an eine Leichenhalle spenden. 

Nach der Beerdigung fuhr ich in unser Büro, wo mich die nächste Überraschung erwartete, doch dazu mehr im nächsten Newsletter. 

Salam und alles Liebe 

Suraya Jammeh 1. Vorsitzende